Out of Fokus – Peripherie und Schönheit
Stadtmühle Willisau, 01.-15.06.2012
BERNHARD HUWILER – WILLISAU: OUT OF FOCUS
Ein riesiger Smiley liegt über der Landschaft. So sieht die Interpretation des visuellen Künstlers Bernhard Huwiler zur Thematik Out of Fokus aus. Auf der Suche nach einer bildhaften Darstellung schwebte ihm zuerst das Bild einer Kamera vor, das eine verschwommene Landschaft darstellt. Willisau: out of Focus. Weil aber unklar blieb, was denn genau der Fokus sein sollte, in dem sich das Städtchen eben nicht befand, verwarf er die Idee und entschied sich, den Ansatz komplett zu wenden. Nicht etwas oder jemand blickt auf Willisau, sondern Willisau wird zum Betrachter und richtet den Fokus auf etwas oder jemanden. Doch auch das warf Fragen auf. Wie sollte so ein Auge Willisaus aussehen? Schliesslich entschied sich Huwiler, jene grafische Darstellung über die Landschaft zu legen, die mit ihrem Gesichtsausdruck Emotionen veranschaulicht.
Eine Frage war damit aber immer noch nicht geklärt: Wie soll dem Betrachter die Form des Werkes vermittelt werden? Wie erkennt dieser, dass ein Smiley über der Landschaft liegt? Zur Diskussion stand, dessen Umriss abzuwandern oder– aufgrund des Durchmessers von 25 Kilometern naheliegender – mit dem Bus zu befahren. Letztlich entschied sich Huwiler, die Form mit einem Helikopter abzufliegen und dessen Route vom Flugplatz Beromünster über Dagmersellen, Zell, Romoos, Malters und Rothenburg mittels GPS auf einer Karte aufzuzeichnen. Das Resultat ist ein nicht ganz runder Smiley; zwei geflogene Kreise über Willisau und Wolhusen stellen die Augen dar, der Sempacher See den Mund. Die Verbindung zwischen den Augen und dem restlichen Gesicht hat Huwiler der Lesbarkeit halber wegretuschiert, ansonsten aber hielt er sich mit Korrekturen zurück.
Allerdings ähnelt das Resultat einem Smiley nur bedingt. In den Augen Huwilers ist es denn auch eher eine Mischung aus einem Gnom und dem Gesicht von Munchs "Der Schrei". Die zufällige Ähnlichkeit mit dem Meisterwerk des Norwegers sagt dem Luzerner zu, weil sich beide Arbeiten mit der Landschaft als Projektions äche befassen, allerdings in einem zeitlich völlig unterschiedlichen Kontext.
Katalog-Text, "out of Fokus – Peripherie und Schönheit, Erstes Willisauer Gespräch über Kunst und den ländlichen Raum", Willisau, Dezember 2012
Als visueller Künstler fragte ich mich im Vorfeld des Willisauer Gespräch mit dem Titel "Out of Fokus – Peripherie und Schönheit" ganz konkret, wie ich mir Willisau und out-of-Fokus vorstellen könne. Irgendwie mit einer Kamera, vielleicht als verschwommene Landschaft? Unscharf? Was wäre aber dann im Fokus? Wer schaut überhaupt? Dann kam mir die Idee, die Sache umzudrehen. Wie wäre es, wenn nicht ich, sondern Willisau in den Raum sehen würde. Willisau wäre dann nicht im oder neben dem Fokus oder Zentrum. Das sehende Auge IST das Zentrum. Wie würde so ein Auge ausschauen? Nach verschiedenen Kritzelversuchen entschied ich mich, über der ganzen Landschaft einen Smiley zu zeichnen. Ein Smiley ist eine grafische Darstellung eines Gesichtsausdruckes und verdeutlicht Emotionen. Mein vorgeschlagener Smyley war etwas zwischen einem Face-wink und Face-surprise Gesichtsausdruck. Augenzwinkern und Erstaunen sind ja durchaus erstrebenswerte emotionale Dimensionen im Zusammenhang mit Kunst.
Das löste aber mein Problem nicht ganz. Wie erkennt denn ein Betrachter, dass da ein Gesicht mit zwei Augen ist, einem zwinkernden und einem schauenden? Ich stellte mir so eine geführte Carfahrt vor oder eine geführte Wanderung. Schliesslich entschied ich mich, die gezeichnete Route von einem Helikopter abzufliegen. Dieser sollte sich in der realen Landschaft gleich einem Kugelschreiber auf einem Skizzenblatt bewegten. Der Flug soll mittels GPS aufgezeichnet werden.
Auf einem ausgedruckten Kartenabschnitt der Region zeichnete ich einen Smiley. Auf die gewählte Variante kam ich aus ökonomischen Gründen. Mit dem Sempachersee als Mund konnte ich ca. 10 Flugminuten sparen. Der Durchmesser des äusseren Kopfkreises war ca. 25 km, er verlief von Beromünster nach Dagmersellen, weiter nach Zell, Romos, Malters, Rothenburg und zurück nach Beromünster. Der Pilatus, Luzern und der Vierwaldstättensee lagen nordöstlich vom Smiley. Über dem Kopfkreis im Nordwesten thront der Napf. Das rechte Auge zeichnete ich geschlossen, es lag bei Wolhusen, das linke Auge befand sich genau beim Städtchen Willisau. Der Sempachersee bildete den offenen Mund des Smiley.
Am 01.06.2012 mietete ich einen Helikopter auf dem Flughafen Beromünster. Ich beauftrage den Piloten, eine Route nach der ausgehändigten Skizze zu fliegen. Die aufgezeichnete Flugroute zeigte eine andere Zeichnung als die geplante, kein Smiley. Sie glich mehr einer Kritzelzeichnung eines Gesichtes, das zwischen einem Gnom und dem schreienden Gesicht im Gemälde "Der Schrei" von Edvard Munch liegt. Mir war dies nicht unrecht, behandeln doch beide Arbeiten die Landschaft als Projektionsfeld. Ich meinte, eine sehr einfache und klare Arbeit gemacht zu haben und realisiere einmal mehr, wie kompliziert die Sache wird, wenn der Blickwinkel sich immer wieder wechselt oder bei der Gleichzeitigkeit von verschiedenen Seh – Konzepten.
Text: Bernhard Huwiler