3 Kappen, Langzeitperformance von Bernhard Huwiler über 4 Stunden auf dem 230m langen Perron, insgesamte Wegstrecke: 15 Kilometer
The Gathering – die Zusammenkunft
3. Treffen für öffentliche Aktionen und Diskussionen zur kollektiven Performancepraxis
Kunstraum Ostgleis, Bahnhof von Ostermundigen
0.06.2017
Es gibt Bahnhöfe, in denen man aussteigt, zum Beispiel Milano Centrale oder der Gare de Lyon in Paris. Dann gibt es Bahnhöfe, in denen man einsteigt, zum Beispiel Bümpliz Nord oder Süd, oder Ostermundigen. Ein Ticket von Ostermundigen nach Milano Centrale hin und zurück kostet 189 SWF, die Hinfahrt nach Paris 208 SFR.
Regioexpress- und Intercityzüge brausen mit hoher Geschwindigkeit beim Bahnhof Ostermundigen vorbei, auch der Eurocity. Schwere Güterzüge mit Containern und Lastwagen rollen vorbei. Ihre Räder machen einen enormen Lärm. Eine verspreyte Lärmschutzmauer versperrt die Sicht auf die Landschaft. Das gelbe Bahnhofgebäude ist Zeuge von Vergangenem und steht einsam an den Geleisen. Vorortszüge und S-Bahnen halten an. Auf der Anzeigetafel steht: Gümligen – Rubigen – Münsignen - Thun... oder Wankdorf – Bern – Kerzers – Laupen.
Die Bahngeleise verlaufen gegen Westen oder Osten. Der Perron ist langgezogen, 230 Meter lang. Ich schreite vom Anfang bis zum Ende des Perrons, dann zurück: hin und her und hin, mehrere Stunden lang. Ich wechsle immer wieder meine Cap: rot, gelb, blau. Im Halbstundentakt kommen Menschen zum Bahnhof, sie stehen, warten, schauen gerade aus. Einer telefoniert mit dem Natel. Passanten haben Taschen bei sich, andere Koffern. Ein rotes Bootspadel ragt neben einer Kühlbox in die Höhe. Ein Hund bellt, ein anderer drückt sich ans Bein des Besitzers. Eine Frau mit einem blauen Kleid umklammert einen Korb mit ihrer jungen Katze. Die grosse Schwester hält den kleinen Bruder an der Hand, mit der anderen hält dieser die Ohren zu. Die gelbe Glace tropft auf den Boden. Ein Zug hält an, Menschen steigen ein und aus. Dann ist der Perron wieder leer.
Ich gehe weiter hin und her. Der Raum ändert sich unmerklich. Ich schreite ihn ab, ich messe ihn ab, teste ihn. Der Perron verliert seine Funktion und wird langsam zur Bühne.
Ich gehe 65-mal hin und her. Das entspricht einer Wanderung von 15 km.
Während dem Performancetreffen tauchte die Polizei auf und erkundigt sich nach unserem Tun. Mehrere Lockführer meldeten «unübliches Verhalten» von Menschen in Geleisenähe.
Text: Bernhard Huwiler