Das Ausstellungsprojekt [balk] besteht aus einer Serie von kuenstlerischen Interventionen, welche vom November 2012 bis März 2013 gestaffelt an mehreren Balkonen eines Wohnblocks im Berner Lorraine Quartier stattfinden.
kuratiert von Gabriel Flückiger
Eingeladene KuenstlerInnen:
Sebastian Dannenberg, Thomas Moor, Ramon Feller, Julia Znoj, Bernhard Huwiler, Hina Strüver
Bis zum 7.3.2013 um 11 Uhr 35 ist der Schrank 22 014 mal hin und her gefahren, das ergibt eine Wegstrecke von 152 Kilometer. Bis am 18.03.2013 um 15 Uhr fuhr der Schrank 54 014 mal hin und her. Das entspricht einer Strecke von 373 Kilometer.
Technik
Atelier Lorraine, www.atelierlorraine.ch
Balkone sind grundsätzlich keine klassischen Ausstellungsräume. Sie sind viel eher Annex des privaten Wohnens und stehen an der Schnittstelle zum öffentlichen Leben. Die Situation bei [balk] ist diesbezüglich zugespitzt, da die Balkone des Wohngebäudes unmittelbar an die Bahnstrecke reichen. Zwischen den Geleisspuren der Bahnhofseinfahrt Bern Ost und dem Wohngebäude besteht eine Distanz von nur wenigen Metern. Die Züge, bzw. der öffentlichen Bereich und das private Wohnen treffen auf eklatante Weise aufeinander. Einzige Möglichkeit, die künstlerischen Interventionen zu sehen, wird folglich nur bei Durchfahrt des Zuges sein. To balk heisst übersetzt aus dem Englischen aufhalten, störrisch werden, vereiteln. Im übertragenen Sinn dient dies als grobe Leitlinie für die Realisierung der Arbeiten. Die Interventionen greifen in die alltägliche Erscheinung der Balkone ein und nehmen mit unterschiedlichen Strategien auf das Themenfeld privat-öffentlich, die hohen Frequenz der vorbeifahrenden Züge sowie auf die speziellen Rezeptionsbedingungen Bezug.
Intervention 5
vom 21. Februar bis 18. März 2013 von Bernhard Huwiler
Übersehbar ist die aktuelle, fünfte Intervention von Bernhard Huwiler (*1957). So stark gliedert sich der auf dem Balkon installierte Schrank in die Hausfassade ein. Ein Schrank, ein alltägliches Objekt, über das man auf dem Balkon anzutreffen, sich nicht wundert. Bis man bemerkt, dass er sich bewegt. „hindundher“, so der Titel der Arbeit, irritiert. Der Schrank bewegt sich buchstäblich hin und her: in konstantem Tempo wird er mittels Motor von einen zum anderen Ende getrieben, von morgens früh bis abends spät.
Die Intervention nimmt dadurch ein wesentliches Charakteristikum des Ortes auf: die unablässige Bewegung durch die unzähligen Zugdurchfahrten, welche sich vor den Balkonen abspielen. Für Sekundenbruchteile wird Bewegung gleichgeschaltet, der Schrank läuft parallel zum Zugwaggon bis jener abbremsen muss und wieder auf die andere Seite steuert. Das Hin und Her des Schrankes wird zum Hin und Her der vorbeifahrenden Züge.
In der Aktion liegt aber mehr als die Spiegelung der örtlichen Dynamik. Stetig unterwegs, kommt der Schrank nirgends hin. Der Vergleich mit dem berühmten Sisyphus-Mythos liegt auf der Hand. Zwar ist das unerschöpfliche und physische Schleppen des Steines des mythologischen Helden zwar nicht motorbetrieben wie die Bewegung des Schrankes der Intervention, doch kann auch des Schrankes Hin und Her zum pointierten Ausdruck einer aufreibenden und endlosen und insofern mühseligen Tätigkeit werden. Mit der ganzen Sinnlosigkeit der Aktion werden deshalb auch solche lebensbekannte Momente zitiert, die sprichwörtlich „ein ewiges Hin und Her“ gewesen sind: Missverständnisse, Unschlüssigkeiten und daraus resultierende Unproduktivität oder Ohnmächtigkeit. Damit die Tätigkeit des Schrankes aber nicht vollkommen einer ephemeren, unfassbaren Rumfahrerei verfällt, werden die zurückgelegten Kilometer gemessen und am Ende der Intervention ausgewertet. So wird die Sinn- und Zwecklosigkeit zu einer messbaren Einheit.
Text
Gabriel Flückiger