**Bernhard Huwiler INTERIEUR**
Einzelausstellung
espace libre – Centre PasquArt Biel
28.10 (?) -25.11.2001
*** Mit seiner neusten Arbeit zeigt uns Bernhard Huwiler eine Videoinstallation, die Assotationen an eine Figurengruppe weckt. Drei Videomonitore hängen im hinteren Teil des "espace libre" im "Centre PasquArt" frei im Raum; sie scheinen in einem stillen Dialog begriffen. Die Gruppe der Monitore bildet ein reduziertes Interieur, ein Innenleben, im kargen Kellerraum und ist gleichzeitig einzige künstliche Lichtquelle. Um die Bildschirme zu sehen, müssen sich die Besucherinnen in den Raum zwischen die Monitore stellen und damit eine Art Intimbereich der Installation betreten.
Vor den Monitoren wird man mit drei gefilmten, menschlichen Brustkästen konfrontiert. Es ist eindeutig erkennbar, dass es sich um die Brustkästen einer Frau, eines Mannes und eines Kindes handelt; dies ist auch an der unterschiedlich hohen Hängung der Monitore im Raum direkt ablesbar. Es könnte sich um die Darstellung einer typischen Kleinfamilie handeln: Mutter, Vater und Kind. Doch die Gruppe wirkt vollständig mediatisiert und anonymisiert; ihre individuelle Geschichte bleibt nebensächlich.
Beinahe wie überdimensionierte Augen scheinen die Brustwarzen in die Mitte zu "starren". Der einzelne Monitor wird zum Rumpf, zum Körperfragment, zur Skulptur. Die Videobilder erinnern an antike "Torsi"; man führt sich in Skulpturenhallen und -gärten früherer Zeiten versetzt. Alles wäre "klassisch" schön, wären da nicht die irritierenden Atemgeräusche und die leichten Bewegungen der Brustkästen. Es wird der Eindruck erweckt, als sei den monochromen Bildern Leben eingehaucht worden.
Huwiler schafft das, woran sich die Renaissancekünstler den Kopf zerbrachen: Er erreicht eine eindrückliche Verschmelzung von Malerei (hier "Videobild") und Skulptur - eigenwillig interpretiert und führt den jahrhundertarten Diskurs zum *Paragone* * in der Kunst weiter. Er parodiert den *Paragone* indem er mit den "Torsi" eine klassische Bildsprache für die Videosequenzen wählte, und meistert mit seinem Interieur - an sich auch ein alter Terminus der Kunstgeschichte - die vermeintliche Unmöglichkeit, zwei-dimensionale Bilder von Körpern in einen stimmigen dreidimensionalen Kontext zu setzen. So füllt sich der im ersten Moment eher karge Raum mit dem aufgeladenen Gehalt jahrhundertealter Künstlerdebatten.

**Text:** Bernhard Bischoff, Oktober 2001

* *Paragone* (ital. Vergleich). Seit der Renaissance geführter theoretischer und künstlerisch-praktischer Rang- und Wettstreit der Künste. Was ist die höhere Kunst: Malerei oder Plastik? *** **Brustwarzen als Gesprächspartner**
Intérieur, Videoinstallation von Bernhard Huwiler

Einmal mehr überrascht der Espace libre mit einer subtil provozierenden Installation. Bernhard Huwiler zeigt drei nackte Oberkörper in einer Videokonferenz.

Drei einander zugewendete Monitore auf unterschiedlicher Höhe umschreiben einen Kreis. Auf allen ist die Brustpartie eines Menschen zu sehen. Leise Atemgeräusche und minimale Körperbewegungen verraten den Film respektive die laufende Zeit. Die Brust des Mannes ist etwas höher platziert als jene der Frau und noch einmal tiefer jene des Kindes. Um die Bilder zu sehen, müssen wir uns in die Mitte stellen. Da, wo wir gewohnt sind, TV-Köpfe zu sehen, "sprechen" auf einmal Oberkörper. Die Brust-Warzen als einzige Haltepunkte im Körperfeld werden zu "Augen", die uns atmend anzublicken scheinen. Ein durch die Fragmentierung des Körpers ungewohntes, seltsam intimes Gefühl durchzieht den eigenen (inneren) Körper, die eigenen Brustwarzen melden sich zu "Wort".

Videos mit Körpermaterial sind nichts Neues. Insofern erstaunt, dass Bernhard Huwiler der bisher vor allem mit performanceartig inszenierten "Zeichnungen" im öffentlichen Raum in Erscheinung trat, nun den Körper als Aktionsraum wählt. Doch viele Körpervideos und -bilder (man denke zum Beispiel an Pipilotti Rist und Silvia Bächli) stammen von Frauen. Das Männerbekenntnis zum Körper ist (immer noch) wesentlich seltener. Ein Gender-Plagiat ist die Arbeit des Berner Künstlers mit ESAV-Abschluss (Ecole supérieure des arts visuels, Genf) dennoch nicht. Und auch so bezuglos zu seinen Aktionen, mit einem Schubkarren und einem Fass, aus dem eine blaue Sand-Spur rinnt zum Beispiel, ist die Bieler Arbeit nicht.

Ging es in den Landart-Zeichnungen doch immer um Punkt und Linie, um Ort und Bewegung auf der einen, Kunstgeschichte respektive Kunst und Realität auf der andern Seite. Bekanntes anders inszenieren oder anders zeigen oder anders sichtbar machen ist der rote Faden durch Huwilers vor allem in der Region Bern bekanntes Schaffen. Die Zeichnung nicht auf Papier, sondern als Spur durch den realen Raum zum Beispiel oder, wie nun im Espace libre, die figürliche Skulptur respektive der Torso als mediales Lebend-Bild, als Video-Skulptur.

Und plötzlich geht es bei der Installation Huwilers im Espace libre nicht mehr nur um Körpergefühle, sondern um die modellierte oder gehauene Ästhetik traditioneller Bronze- respektive Steinskulptur kontra die lebendige Figur; um Kunst versus Mensch, versus Mann, Frau und Kind. "Intérieur" als Titel der Arbeit bringt eine weitere, sowohl Körper wie Kunstgeschichte antippende Dimension. Dieser dreifache, auf beide Hirnhälften ausgerichtete Ansatz potenziert die Arbeit Huwilers, macht sie spannend.

**Text:** Annelise Zwez, Biel, 2001 (Bieler Tagblatt, 31.10.2001)