**ÜBER DAS PUTZEN, MALEN UND ZEICHNEN**
zu einer Installation von Bernhard Huwiler im
*next stop*
Kunstmuseum Thun
8.4.-30.4.1999 *** Die Videoinstallation der Strassenreinigung ist von Bernhard Huwiler vor wenigen Wochen eigens für die Ausstellung next stop im Kunstmuseum Thun geschaffen worden. Die Videos zeigen den Ablauf einer Strassenreinigung durch die städtischen Reinigungsmaschinen, aufgenommen durch zwei Videokameras, die vom Künstler an der Vorder- und Rückseite des Fahrzeuges montiert wurden. Es ist nicht Huwiler selbst, sondern "Fritz", Angestellter der Städtischen Reinigungsbetriebe, der den Wagen fährt.

Das Kunstwerk besteht eigentlich aus zwei Teilen: zum einen aus der Performance selbst und zum anderen aus der Aufnahme durch die Videokamera, welche die Funktion des "Memorys" übernimmt. Die Filme werden weder geschnitten noch in ihrem zeitlichen Ablauf gekürzt; es ist ein Registrieren der Handlung in "realer" Zeit. Der Blick, den der Künstler hier steuert, ist nicht wie üblich frontal auf die fahrende Reinigungsmaschine gerichtet, sondern die Filmlinsen der Kameras schauen nach unten. Huwiler fokusiert auf diese Weise die Sicht auf das Geschehen wie aus der Warte eines Satelliten. Die Videokamera als "viewing machine", ist Mittel zum Sehen und integrativer Bestandteil von Huwilers Performances.

Die Aktion ist mit einem künstlerischen Malprozess vergleichbar, nur wird bei der Strassenreinigungsaktion dem Bildgrund nicht so sehr etwas hinzugefügt, wie einem zu malenden Bild Farbe, sondern im Mittelpunkt steht das Wegnehmen durch die Reinigung, eben des Strassendrecks. Das Wegnehmen ist Konzept, das "Zeichnen" der Bürste ist Teil der Performance.

Huwiler begreift seine Videoinstallation als Beitrag zur andauernden Diskussion über Malerei, was sie ist und wie sie tangiert wird durch Hinzufügen und Wegnehmen einer Substanz. Wie verhält sich Malerei zwischen Illusion und Realität, zwischen Farbpigment, Lösungsmittel und Malgrund? Bei der Strassenreinigungsaktion wird das Putzfahrzeug mit seiner runden Bürste zum überdimensionalen Pinsel, die Fahrt zum Malgestus an sich. Asphalt, Dreck und Wasser ersetzen hierbei die Grundfaktoren der klassischen Malerei.

Wichtig ist die Inszenierung des Experimentes durch den Künstler, um so Einfluss auf die Reaktion des Betrachters nehmen zu können. Er spielt mit Ironie und Irritationen und sucht eine Blickwinkelverschiebung bei der Betrachtung von Kunst. Huwiler fasziniert die Verwendung von Alltäglichem und Maschinen des Alltags in der Kunst. So benutzt er beispielsweise zum Zeichnen Bohrmaschinen oder umkonstruierte Staubsauger, um dem "Drama des Alltags", wie es der Künstler selbst nennt, spezielle Aufmerksamkeit zu verschaffen. Den Künstler treibt eine geradezu romantische Sehnsucht auf der Suche nach dem Entdecken von Niegesehenem.

**Text:** Annette Baumann (lic.phil.hist.) *** **Malen mit dem Reinigungswagen - eine originelle Videoprojektion im KUNST MUSEUM THUN von Bernhard Huwiler**

Was braucht es zum Malen? Einen Malgrund (zum Beispiel eine Leinwand oder ein Papier), ein Malinstrument (etwa einen Pinsel) und das, was wir normalerweise Farbe nennen: ein Pigment, etwas, das färbt.

Malen ist also etwas Materielles, Handfestes; das Resultat lässt sich nicht nur mit den Augen beschauen, sondern auch mit den Händen begreifen. Und das Gemalte, das Gemälde, bleibt - zumindest, bis es übermalt wird.

Diese simple, "technische" Erläuterung zum Wesen der Malerei führt Bernhard Huwiler in seiner Videoprojektion im Kunstmuseum Thun gleichzeitig vor und ad absurdum. Was da als Metapher des Malvorgangs zu sehen ist, würden wir vordergründig die Strassenreinigung mit einer Reinigungsmaschine nennen: eine runde, an einem Ausleger rotierende Bürste wirbelt den Strassendreck vor das Reinigungsfahrzeug, das den Schmutz aufsaugt. Wir haben also den Asphalt als Malgrund, die Bürste (und allenfalls den Reinigungswagen) als Malwerkzeug und den Schmutz als Pigment.

Mit einer fix auf dem Fahrzeug montierten Videokamera hält Huwiler den "Malvorgang" fest und projiziert ihn an die Wand des Raumes: Ein Bild entsteht, ein sich ständig änderndes. Auf der anderen Seite des Raums, an der «Rückwand» gleichsam, sehen wir das Resultat, das "fertige Bild"; die geputzte Strasse, aufgenommen mit einer zweiten Videokamera.

So handfest der "Malvorgang" auch in der Metapher ist, so leicht das geistige Übersetzen der beteiligten Grundlagen, so verwirrend ist das Resultat: Wenn beim Malen "Zeichen" auf einer vorher amorphen, monochromen Fläche entstehen, so ist das Produkt hier die von Zeichen entleerte Strasse.

Wenn beim Malen die Pigmente auf den Malgrund aufgebracht werden, so werden sie beim Strassenreinigen entfernt. Und wenn wir als Produkt des Malens ein materielles Bild haben, so ist es in Huwilers Videoarbeit bloss ein projiziertes, ein virtuelles Bild; oder auch: eher ein Abbild als ein Bild. Und der Lärm der Maschine, der ohrenbetäubend die Videoprojektion begleitet, passt auch nicht recht als "Sphärenmusik", die vielleicht eine Künstlerin, einen Künstler bei der Arbeit inspiriert.

Bernhard Huwiler ist eine kurze, aber lange nachwirkende, dichte Arbeit gelungen. Sie ist in der Reihe *next stop* zu sehen, die das Kunstmuseum Thun auch nach seinem Jubiläumsjahr weiterführt und die junge, gute Ideen vorstellen und diskutieren helfen soll.

**Text:** Pani, Der Bund, Samstag, 17.04.1999